Donnerstag, 22. September 2011

Die Fossilien von Emmershausen

Die
Fossilien
von
Emmershausen


Beschreibung einer Fossilfundstelle von aussergewoehnlich gut erhaltenen, versteinerten Meereslebewesen aus dem Zeitalter des Devon (Untere Ems Stufe - Singhofener Schichten) im mittleren Weiltale bei Weilrod – Emmershausen

Dipl. Biol. Peter Ulrich Zanger
CID-Forschung, Weilmuenster




Fotografien & Textredaktion - Dipl. Biol. Peter Ulrich Zanger
CID Forschung, Weilmuenster

13. Dezember 2011


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Nicht immer hatte die Erdoberflaeche dieselbe Gestalt, die wir heute sehen, wenn wir die Landschaft in unserer Umgebung betrachten. So wie durch Rodungen und Bodenerosion innerhalb weniger Jahrzehnte waldbestandene Bergtaeler sich in trockene Felswuesten verwandeln koennen, so formen der Einfluss von Regen und Wind, der Wechsel von Hitze und Kaelte zusammen mit den abfliessenden Gewaessern im Laufe der Jahrmillionen die Erdoberflaeche bestaendig neu.

Zusaetzlich zu diesen athmosphaerischen und klimatischen Modellierungen unseres Lebensraumes kommen die zumeist sehr langsamen aber immerwaehrenden Bewegungen im Erdinneren, die sogenannte Tektonik, die im Verlauf unvorstellbar langer Zeitraeume die urspruengliche Oberflaechengestalt unseres Planeten wiederholt vollstaendig umgeformt hat.

So muessen auch Teile der Erdoberflaeche, die vor dutzenden von Jahrmillionen mit Ozeanwasser bedeckt waren, durch tektonische Bewegungen im Erdinneren angehoben, aufgewoelbt und so zu Festland geworden sein. Dies leitet sich aus der Tatsache ab, das man heutzutage fernab von Meereskuesten und auf Hoehenlagen von hunderten bis tausenden von Metern ueber dem Meersspiegel Reste von Lebewesen aus einem ehemals wasserbedeckten Lebensraum finden kann.

Diese heute versteinerten Lebensspuren nennt man nach dem lateinischen Begriff `fossilis` (fossilis (lat.) = ausgegraben) Fossilien.


Ein Beispiel fuer gegenwaertige, schnelle Landschaftsumformung durch Entwaldung und Bodenerosion aus den Anden Suedamerikas (Kolumbien / Guatavita)



Die Entstehung von Fossilien

Als Fossilien bezeichnet man Reste der Koerper von Lebewesen (Pflanzen & Tiere) die durch Umgebungseinfluesse konserviert und ueber lange Zeitraeume erhalten werden. Dabei handelte es sich entweder um weniger schnell verwitternde Koerperbestandteile wie Knochen, Kalkschalen, Schuppen, Chitinpanzer, Holz, Fruchtschalen, etc. selbst, die durch chemische Umwandlung oder Umgebungsdruck mineralisert sind bzw. um Abdruecke der Koerperoberflaechen in plastischem Umgebungsmaterial oder ausgehaerteten Sedimentfuellungen der Koerperhohlraeume (Steinkerne), die nach Aufloesungen der verwitterbaren Koerperteile als mineralisiertes Spiegelbild des ehemaligen Lebewesens erhalten geblieben sind.

Die Entstehung von Fossilien ist nur unter Ausnahmebedingungen vorstellbar, bei denen Umweltsituationen vorgelegen haben, die Zersetzungs- und Verwitterungsprozesse der Tier- und Pflanzenkoerper verlangsamt oder unterbunden haben. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn organische Koerper unter Luftabschluss (Moor-, Sumpfboeden) bzw. durch schnelle Materialueberdeckung (Sedimentation auf einem Gewaessergrund) vor dem Zerfall bewahrt und langsamen Abformungs- oder mineralischen Umwandlungsprozessen ausgesetzt bleiben.

Dies erklaert auch, warum die haeufigste gefundene Erhaltungsform Fossilien von Meereslebewesen sind, deren Kalkgehaeuse oder Kalkskelette (Muscheln, Schnecken, Brachiopoden, Seeigel, Korallen, etc.) sich an geeigneten Stellen angesammelt haben und deren Abdruecke der Gehaeusereste so bisweilen in dichten Lagen organischer Ablagerungen am Meeresboden konserviert geblieben sind. Fossilien von Landlebewesen oder Voegeln sind dagegen weitaus seltener zu finden, da sie spezieller Umweltbedingungen bedurften, die zum Beispiel bei Bernsteineinlagerungen von Insekten oder bei der vollstaendigen Erhaltung von Wirbeltieren in Asphaltseen (Oelschiefergrube Messel) vorgelegen haben muessen.



Bruchstueck aus einem Gesteinshorizont aus Meeresboden-Sedimenten eines urzeitlichen Ozeanes mit uebereinanderliegenden Resten mariner Lebewesen. Fundort: Weilrod-Emmershausen / Weiltal im Taunus.


Stratigraphische Einordnung der Fossilien von Emmershausen

Zur Bestimmung der Fundstuecke ist zunaechst die zeitliche Einordnung der ehemaligen Lebenswelt der versteinerten Ueberreste notwendig. Dies geschieht zuerst durch die Suche nach Leitfossilien, das heisst charakteristischen Arten, die bestimmten Zeitabschnitten der Erdzeitalter zugeordnet werden. Sind solche Leitfossilien nicht sofort zu erkennen, sind die aufgeschlossenen Gesteinsschichten des Fundortes genauer zu untersuchen um deren Ursprungsalter zu bestimmen.

Man geht heute davon aus, das die Gesteine, aus denen das Taunus-Gebirge aufgebaut ist, vor etwa 440 bis 320 Millionen Jahren waehrend der als Silur, Devon und Karbon benannten Erdzeitalter gebildet wurden. In diesem erdgeschichtlichen Zeitraum herrschte im heutigen Mitteleuropa tropisches Klima, die Erdoberflaeche war von einem flachen Meer bedeckt.

Ueber urspruenglich vulkanischen Gesteinen lagerten sich auf diesem Meeresboden Sedimente ab, die in der Folge und im Laufe von Jahrmillionen durch tektonische Umlagerung, den Druck der ueber sie gelagerten Gesteine, chemische Umwandlungsprozesse und Verwitterung zu den heute an der Erdoberflaeche, in Bodenaufschluessen oder im geologischen Untergrund zu findenden Gesteinen wurden.


Waehrend des Erdzeitalters `Karbon`, also vor 345 – 285 Millionen Jahren, hoben die urzeitlichen Bewegungen im Inneren der Erdkruste den ehemaligen Meersboden an, woelbten ihn bis zu Mittelgebirgshoehe auf, wobei die uebereinandergelagerten Gesteinsschichten auseinanderbrachen, sich verwarfen, schraeg stellten und neu anordneten. Die auf die neuentstandene Festlandsflaeche einwirkenden athmosphaerischen Umwelteinfluesse formten dann waehrend der vergangenen 285 Millionen Jahre das heutige Landschaftsbild. Verwitterungsfestere Gesteine bilden so die heutigen Hoehenzuege der Gebirge, leichter erodierbares Material wurde von Wind, Regen und abfliessendem Wasser abgetragen und anderenorts sedimentiert, so dass Huegellandschaften, Taeler und Ebenen entstanden.

Experimentelle Modellbeispiele fuer dynamische Verformungen urspruenglich horizontal abgelagerter Sedimentschichten als Demonstration fuer die langfristige, klimatisch-tektonisch-thermodynamische Formgestaltung der Erdkruste (nach BAISHALI SAHA und C. DIETL, Inst. f. Geowissenschaften, Goethe Universitaet, Frankfurt).


Das Taunus-Gebirge bildet in der Gegenwart den suedoestlichen Teil des Rheinischen Schiefergebirges und ist von diesem im Norden durch die sogenannte Lahnmulde und im Westen durch den im Erdzeitalter Tertiaer entstandenen Rheintal-Graben abgeteilt. Mitbestimmend fuer die Aufformung und Gestaltung der Erdkruste zur Taunus-Erhebung war moeglicherweise der Vulkanismus in den angrenzenden Gebieten Eiffel, Westerwald und Vogelsberg.

Der geologische Untergrund des Taunus selbst besteht aus etwa vor 420 – 390 Mio. Jahren gebildeten Gesteinen des Unter Devons. Im Vordertaunus, dem Anstieg von der Mainebene her, sind dies sogenannte `Meta-Sedimente` und `Meta-Vulkanite` (= Gruenschiefer, Quarzite, phyllitische Tonschiefer, Graue Phyllite, Bunte Schiefer, Keratophyre). Der Hochtaunus ist aus verwitterungsbestaendigem Quarzit geformt, also aus aus Meeressanden gebildeten, hellgrauen bis weissen Sandsteinen, deren Sandkorn-Bauteile durch ein kieseliges Bindemittel sehr hart verkittet sind. Im noerdlich angrenzenden Hintertaunus ueberwiegen zuerst die Gesteinsschichten des Unter-Emsiums, etwa bis zur von Suedwesten nach Nordosten verlaufenden Grenzlinie zwischen dem Hochtaunus- und ehemaligen Oberlahnkreis und zusammengesetzt aus `schwarzen Gesteinsserien des Hunsrueck-Schiefers (= Ton- oder Dachschiefer), Plattensandsteinen, Ton- und Grauwacken-Schiefern und Porphyroiden (= geschieferter Keratophyrtuff), Silit- und Tonsteinen` mit Einlagerungen von Quarzit und Kieselgallen. Andere Gesteine sind im Hintertaunus nur bei Usingen und Oberkleen aufgeschlossen. Zur Lahnmulde hin folgen die oberflaechenbestimmenden Schichten des Ober-Emsiums mit Sandsteinen und Schiefern, durchbrochen von Basalt und Diabas. Letztere Gesteine bergen reiche Lagerstaetten von Eisenerz und anderen, in der Vergangenheit abbauwuerdigen mineralischen Rohstoffen.



Tabelle 1

Devonische Schichtenfolge des Taunus

Nach ANDERLE (1987) und JANSEN (2005), veraendert.

KARBON














DEVON

Famennium


Koepperner Riffkalk

Ober Rosbacher Riffkalk


Usinger Kalk

Eifelium


OberEmsium

Kondel



Laubach


Lahnstein

Kieselgallen Schiefer

Burgschwalbach Sandstein

Flaserschiefer



Laubach-Schichten

Hohenrhein-Schichten


Emsquarzit

Unter Emsium

Vallendar


Singhofen




Ulmen



Oppershofener-Schichten

Spitznack-Schichten

SINGHOFENER
SCHICHTEN

Schwall-Schichten

Kaub-Schichten

Bornich-Schichten

Sauerthal-Schichten

Unter-Ober Emsium


Lorsbach Folge

Eppsteiner Schiefer

Siegenium

Ober-S.

Mittel-S.

Unter-S.


Taunus Quarzit


Hermeskeil-Schichten

Gedinnium

Ober-G.

Unter-G.


Bunte Schiefer

SILUR



Graue Phyllite



Stratigraphie der Emmershaeuser Fossilfundstelle

Die Fossilfundstelle bei Weilrod Emmershausen liegt in den devonischen Unter-Ems Schichten und hier im Bereich der weitgehend uniformen und grossflaechig anstehenden Singhofener Schichten und datiert in ihrer Entstehung somit in einen Zeitraum von 410 - 390 Millionen Jahren vor unserer Zeit. Dominantes, anstehendes Gestein am Aufschlussprofil sind Grauwackenschiefer mit geringen Kieselgallen bzw. Quarziteinlagerungen.


Schichten des Unteren und Mittleren Devon im Hintertaunus (Bereich Weiltal / Graevenwiesbach) laut Geologischer Karte von Hessen, Blatt 5616 im Massstab 1 / 25.000 herausgegeben vom Hessischen Landesamt fuer Bodenforschung, Wiesbaden im Jahre 1983. Die Fossilfundstelle ist durch einen schwarzen Kreis markiert.



Farbliche Darstellungen der devonischen Schichten laut Geologischer Karte von Hessen, Blatt 5616 im Massstab 1 / 25.000 herausgegeben vom Hessischen Landesamt fuer Bodenforschung, Wiesbaden im Jahre 1983.



Schichten des Unteren und Mittleren Devon in der unmittelbaren Umgebung der Fossilfundstelle bei Emmershausen laut Geologischer Karte von Hessen, Blatt 5616 im Massstab 1 / 25.000 herausgegeben vom Hessischen Landesamt fuer Bodenforschung, Wiesbaden im Jahre 1983.



Grauwackenschiefer mit zwischengelagerten, fossilfuehrenden Schichten an der Fossilfundstelle.


Die ehemals an der Oberflaeche des zur Weilstrasse hin ausstreichenden Schieferfelsens aufgeschlossene, reichlich fossilfuehrende Gesteinslage ist seit 1982 auf einer Flaeche von ca. 1/4 Hektar vollstaendig abgetragen, der Felsen beseitigt. Minimale Reste der ehemals bemerkenswert abundanten Fossillage sind heute nur noch als horizontale Fortsetzung mehrer, zentimeterstarker Fossil-Gesteins-Straten zwischen Blocklagen der anstehenden Grauwacke zu finden.

Das Fossilgestein unterscheidet sich deutlich von der dominanten Grauwacke als fast ausschliesslich aus versteinertem organischem Material zusammengesetzte, muerbe, sandig-koernige, leicht zerfallende, fett-sattbraune, farblich der Braunkohle aehnelnde Schicht.


Meeresboden-Sedimentgestein mit deutlich ausgepraegten Schalen-Abdruecken dicht uebereinandergelagerter, mariner Lebewesen. Fundort: Weilrod-Emmershausen / Weiltal im Taunus.



Die Palaeo-Fauna des Devon im Weiltal bei Emmershausen


Als `Devonische Formation` bezeichnet man geographische Raumeinheiten, in denen waehrend des Erdzeitalters DEVON entstandene, geologische Schichten an die Erdoberflaeche treten und dort das sogenannte `Anstehende Gestein` bilden. Benannt ist die Devonische Formation nach der englischen Grafschaft Devonshire. Ausgedehnte Devon-Gebiete findet man ausserhalb Englands in Russland und Nordamerika. In Europa sind die Bretagne und die Normandie (Frankreich), Asturien (Spanien), Luxemburg und Belgien teilweise devonischen Ursprungs. In Deutschland sind hier besonders die Regionen Westfalen, Nassau, Taunus, Hunsrueck, Eiffel, Harz, Fichtelgebirge sowie angrenzend Schlesien und Maehren zu nennen.

Der erdgeschichtlich systematische Zusammenhang dieser Regionen wird von Geologen und Palaeontologen mit den dort uebereinstimmend vorherrschenden Gesteinsarten und fossilen Lebewesen begruendet. Es sind dies vorwiegend Sandsteine, Quarzite, Konglomerate, Grauwacken, Kalksteine und Tonschiefer. Bei den in den Gesteinen `begrabenen`, fossilen Organismen handelt es sich zumeist um Meereslebewesen, weitaus seltener sind Pflanzenfunde, wobei hier Braunalgen (Fucus), Gefaess-Kryptogamen (Filices / Farne), Baerlappgewaechsen (Sigillaria) und Koniferen genannt werden.

Typische, fossile Meerestiere des Devon-Erdzeitalters sind:

  • Corallia / Korallen
    Calceola, Cyathophyllum, Pleurodictyum
  • Echinodermata / Stachelhaeuter
    Seeigel / Haplocrinus, Cupressocrinus - Seelilien / Crinoidea
  • Brachiopoda / Armfuesser
    Spirifer, Rhynchonella, Spirigera, Merista, Atrypa, Orthis
  • Bivalvia / Muscheln
    Pterinea, Actinodesma, Grammysia, Cypricardina
  • Gastropoda / Schnecken
    Murchisonia, Euomphalus, Macrocheilus
  • Cephalopoda / Kopffuessler
    Ammoniten / Orthoceras, Cyrtoceras, Gomphoceras, Goniatites
  • Crustacea / Krebstiere
    Trilobiten
  • Pisces / Fische
    Panzerfische / Pterichthys.

Die Fossil-Fauna des Weiltales und seiner Seitentaeler wurde im letzten Jahrhundert gut untersucht und die Artenzusammensetzung an mehreren dutzend Fundstellen bestimmt. Detaillierte Auflistungen der einzelnen, versteinerten Lebewesen sind in den Kommentaren zur Geologischen Karte von Hessen, Blatt Graevenwiesbach, veroeffentlicht. Diese Angaben stuetzen sich insbesondere auf die Aufsammlungen von Alexander Fuchs (ab 1899), E. (oder Fr.) Maurer (ab 1902), A. von Reinach (ab 1905), P. (oder A.) Dienst, R. & E. Richter, H. Moehrke, dem Bad Sodener Naturwissenschaftler Georg Dahmer (1935 - 1942) sowie auf die in den Palaeontologischen Sammlungen des Senckenberg-Museums (Frankfurt) und des Museums Wiesbaden zusammengetragenen Fossil-Fundstuecken. Aktuellste Uebersichten zur Artenzusammensetzung der Devonischen Fossilfauna und hier insbesondere der Brachiopoden findet man in den Publikationen des Frankfurter Palaeontologen Dr. Ulrich Jansen vom Senkenbergischen Forschungsinstitut.

Die hier erstmals praesentierte, erst Mitte der 1960er Jahre entdeckte Fossil-Fundstelle am alten Ortsrand von Emmershausen ist bisher in keiner hier bekannten Publikation erwaehnt worden. Die naechstgelegene, beschriebene Fossilfundstelle ist der 1.200 m in ostsuedoestlicher Richtung gelegene Steinbruch an der Lochmuehle (in Richtung Gemuenden). Hier fanden A. Dienst und A. Fuchs sowie R. und R. Richter bei Aufsammlungen folgende Fossil-Arten

Brachiopoda
  • Chonetes semiradiatus SOWERBY = plebeja SCHNUR
  • Chonetes sarcinulata SCHLOTHEIM
  • Chonetes oblonga FUCHS
  • Rhynchonella daleidensis ROEMER
  • Spirifer arduennensis SCHNUR
  • Spirifer subcuspidatus SCHNUR
  • Trigeria confluentina FUCHS
Bivalvia
  • Cypricardella elongata BEUSHAUSEN
  • Palaeosolen simplex MAURER

Nahe des Nachbarortes Winden sind insgesamt 8 Fossil-Fundstellen beschrieben, alle im ca.
2.000 - 2.200 m noerdlich der Fundstelle parallel zum Weilabschnitt Emmershausen - Runkelsteiner Muehle verlaufenden Leistenbach-Tal gelegen. All diese Fundstellen befinden sich noerdlich der Grenzlinie zwischen den Unter-Ems (Singhofener Schichten) und den nach Norden anschliessenden Ober-Ems Schichten (Emsquarzit). Registriert sind hier u.a. die Gattungen und Arten

Brachiopoda

  • Anoplotheca venusta
  • Chonetes dilatata
  • Chonetes plebeja
  • Cyrtina sp.
  • Orthis sp.
  • Orthothetes sp.
  • Retzia sp.
  • Rhynchonella daleidensis
  • Schizophoria vulvata
  • Spirifer arduennensis
  • Spirifer paradoxus
  • Spirifer subcuspidatus
Corallia
  • Pleurodictyum sp.
  • Zaphrentis sp.
Trilobita
  • Asteropyge sp.
  • Homalonotus sp.
  • Phacops sp.

In einem Steinbruch am westlichen Ortsausgang von Winden (1.780 m nordoestlich der Emmershaeuser Fossilfundstelle) und damit direkt an der Uebergangslinie zwischen den Singhofener Schichten des Unter-Emsiums zum Ems-Quarzit des Ober-Emsiums im Norden wurde, neben dem Fund eines fossilen Flossenstachelrestes, folgende Faunenzusammensetzung festgestellt

Brachiopoda
  • Chonetes oblonga
  • Chonetes plebeja
  • Dielasma rhenana
  • Rhynchonella daleidensis
  • Spirifer arduennensis
  • Spirifer hercyniae
  • Spirifer subcuspidatus
  • Trigeria gaudryi
Mollusca / Tentaculitoidea
  • Tentaculites scalaris
Corallia
  • Pleudodyctium problematicum
Trilobita
  • Homalonotus (Digonus) rhenanus

Parallel zum Leistenbachtal verlaeuft ca. 2.000 m suedlich des Emmershaeuser Fundpunktes
von Hasselbach ueber den Nordrande Weilrods bis Gemuenden eine zweite Achse weiterer Fossil-Fundstellen in den Singhofener Schichten des Unter- Emsiums vom `Gelenn` ueber den `Gilling`, das `Roeder Wasserwerk` zum `Lehnchen` und dem `Taelchen zum Sattelbach` mit folgender Artenzusammensetzung

Brachiopoda
  • Chonetes plebeja
  • Chonetes semiradiata
  • Rhynchonella daleidensis
  • Spirifer arduennensis
Bivalvia
  • Carydium gregarium
  • Carydium sociale
  • Cypricardella elongata
  • Cypricardella subovata
  • Prosocoelus beushauseni
Trilobita
  • Homalonotus (Burmeisteria) armatus
  • Homalonotus cf. rhenanus


.....

Beschreibung der Fossil-Fundstuecke und Biologie der Lebewesen

Die in diesem Artikel praesentierten Fossilien sind Fundstuecke von Aufsammlungen aus den 1960er Jahren und gehoeren zu den verbliebenen Restbestaenden der Ausstellung der ehemaligen `Naturkundlichen Privatsammlung des Museums Emmershauser Huette`, heute verwaltet von der privaten wissenschaftlichen Forschungseinrichtung CID Forschung, Weilmuenster.

Fossile Hauptbestandteile der untersuchten Sedimentgesteinsstuecke sind Brachiopoden und Muscheln. Vereinzelt beinhaltet das Fossilgestein auch Lebensspuren von Echinodermaten und Korallen.


Crinoidea

Die meeresbewohnenden Crinoidea werden auch als Haarsterne, Liliensterne oder Seelilien bezeichnet und dem Tierstamm der Stachelhaeuter zugeordnet. Nach der gegenwaertig akzeptierten Systematik bilden die Seelilien & Haarsterne als CRINOIDEA eine Klasse des Unterstammes PELMATOZOA der Echinodermata, zu deren weiteren rezenten Klassen die Seeigel, Seewalzen und Seesterne zaehlen.

Die Koerper der Haarsterne (COMATULIDA) haben den gleichen Bauplan wie die der Seelilien, doch leben Erstere freischwimmend im Meer waehrend die Seelilien mittels eines gegliederten Stieles am Untergrund verankert `sessil` leben. Es wird vermutet, das die freilebenden Haarsterne Entwicklungsstadien der Seelilien sind, die sich unter bestimmten oekologischen oder Entwicklungstadium-bedingten Bedingungen von ihrer ortsfesten Verankerung loesen und wandern.

Ein Kalk-Platten-Skelett bildet den becher-foermigen Rumpf der Tiere, auch `Kelch` genannt, der proportional zum Gesamtkoerper sehr klein ist. Am oberen Aussenrand des Kelches setzen bewegliche, aus gegliederten Kalk-Elementen aufgebaute Arme an, die sich meist mehrmals gabeln und verzweigen. Die Arme der Crinoidea sind Fiederchen tragende Fang-Tentakel, die Nahrungsteilchen aus dem Meerwasser einfangen und zum Mund fuehren, der sich im Zentrum der Armansaetze auf der Koerperoberseite befindet. Die Basalplatte des Kelches ist gleichzeitig das oberste Segment des aus scheibenfoermigen Kalk-Elementen zusammengesetzten, vielgliedrigen Stieles der Tiere. Die Kalkskelett-Elemente des Koerpers sind von feinen Kanaelen und Porengaengen durchzogen, in denen Gefaess- und Nervensystem verlaufen. Die Koerpergroesse der Tiere variiert von wenigen Zentimetern bis zu ca. 2 Metern (Metacrinus superbus).


Schema des Koerperbaues einer Seelilie

Abbildung aus Meyers Konversations Lexikon 6.Auflage Bd. 8 / 1907


Die systematische Einordnung der Seelilien und Haarsterne ist uneinheitlich. Setzt man voraus, das Haarsterne ortsunabhaengig lebende Entwicklungsstadien der Seelilien sind, bedeutete dies, das nicht alle Seelilien-Lebensformen bzw. die urspruenglichen Entwicklungsplaetze der Haarsterne bekannt sind und vollstaendige Angaben ueber Artenzahlen und Oekologie somit noch nicht moeglich sind.

Die Crinoidea gehoeren zu den aeltesten bekannten Lebewesen der Erde ueberhaupt. Vor 245 bis 235 Millionen Jahren (Trias / Muschelkalk) besiedelten diese Tiere so zahlreich auch die Flachwasserzonen der Ozeane, das ihre Koerperskelette zusammen mit Resten anderer Meerstiere Kalkgesteins-Formationen (biogenes Sedimentgestein) aufbauten und hier den nach ihnen benannten `Trochitenkalk` bildeten, der unter Anderem in den Dolomiten, den noerdlichen Kalkalpen, der Schwaebischen Alb, in Thuerigen und dem Elm vorkommt. Aelteste bekannte fossile Crinoidea stammen aus dem Erdzeitalter des Ordovizium, also aus einem Zeitraum vor 480 bis 440 Millionen Jahren. Waehrend der Erdzeitalter-Abschnitte Silur, Devon, Karbon, Perm, Trias, Jura und Kreide erreichten die Crinoidea groesste Artenvielfalt und Verbreitungsareale. Als Leitfossilien fuer das Devon gelten u.A. die Gattungen Codonaster, Haplocrinus und Cupressocrinus. Bisher sind etwa 3.900 fossile Seelilien-Arten beschrieben.

Das ozeanische Verbreitungsareal der ca. 620 bekannten, rezenten Seelilien-Arten ist ungleichmaessig. Die groesste Artendichte existiert in den seichten Kuestengewaessern des Indopazifik waehrend sie im Ostpazifik vollstaendig fehlen. Aus dem Atlantik sind nur rund 100 Arten mit Verbreitungsschwerpunkt in der Karibik bekannt. Im Mittelmeer und an den europaeischen Nordmeerkuesten dominiert die Gattung Antedon. Die wenigen, in den Polarregionen der Meere lebenden Arten koennen ausgesprochen zahlreiche Kolonie-Bestaende bilden, dichte Seelilien-Wiesen oder Waelder mit ueber 50 Tieren pro Quadratmeter. Seelilien sind zudem in der Lage, Tiefseeregionen von ueber 1000 Meter unter dem Meeresspiegel zu besiedeln, wie beispielsweise die zur Familie BATHYCRINIDAE zaehlende, im Nordatlantik in Tiefen zwischen 140 bis 4.800 Metern Wassertiefe lebende Rhizocrinus lofotensis. Bathycrinus australis ist sogar in einer Wassertiefe von 8.300 Metern unter dem Meeresspiegel nachgewiesen.

Bemerkenswerte Funde versteinerter Seelilien sind u.A. aus Erfoud (Marokko) und Holzmaden (Schwaebische Alb) bekannt. Bedeutende Ausstellungsstuecke zu dieser fossilen Tiergruppe praesentieren unter anderem das Urwelt-Museum Hauff in Holzmaden, die Otto-Klages-Sammlung in Koenigslutter und das Senckenberg-Museum, Frankfurt.

Im Vergleich zu den dicht gelagerten Brachiopoden- und Bivalvia-Fossilien sind Reste von Crinoiden im Untersuchungsmaterial nur sehr selten zu finden. An der urspruenglichen Fundstelle wurden dagegen vor 40 Jahren haeufig ´sternfoermige Einpraegungen´ im Sedimentgestein registriert. Auf der Oberflaeche von 2 Gesteinsproben sind sowohl der Abdruck eines Seelilien-Stielgliedes (Trochit) mit sehr praezise abgebildeter, symmetrischer, 5-zackig-sternfoermiger Kammerung des die Kalkstengel-Scheibe durchziehenden Kanalsystemes, durch welche die Naehrstoff- und Nervensystem-Versorgungen durch den Stiel des Tieres des Tieres verlaufen sind, als auch ein weitere, kleinere sternfoermige Erhebung, die einem Bruchstueck des Kelchbodens der Seelilie zuzuordnen ist. Identische Feinstrukturen wie bei den Emmershaeuser Crinoiden-Fossilien sind auf folgenden 2 Abbildungen von Le Menn & Racheboeuf aus dem Jahre 1976 wiedergegeben:


Diamenocrinus primaevus Le Menn 1970 - Dorsalkapsel und Armapparat
Fundstueck aus Seillou en Rosnoen (Finisterre)


Diamenocrinus primaevus Le Menn 1970 - Facette articulaire nodale et internodale
Fundstueck aus Seillou en Rosnoen (Finisterre)

Beide Abbildungen aus: Le Menn, J.; Racheboeuf, P.R. (1976): Brachiopodes Chonetaceae et Crinoides des Formations du Faou et de Montguyon (Dévonien inférieur du Massif Armoricain). Ann. Soc. Géol Nord, XCVI. 4. 283-323.


Ein Vergleich mit 1976 beschriebenen Fossilfunden von Le Menn & Racheboeuf aus der Umgebung von Seillou and der franzoesischen Bretagne-Kueste bei Finisterre laesst die Vermutung zu, das es sich bei dem erhaltenen Seelilien-Bestandteilen bzw. deren Fossil-Abdruecken aus Emmershausen um eine Kalkscheibe des Stieles und ein Element des Kelches von Diamenocrinus primaevus Le Menn 1970 handelt.


Stamm ECHINODERMATA
Klasse CRINOIDEA / Seelilien

Diamenocrinus primaevus Le Menn 1970 - 1


Diamenocrinus primaevus 1
a. Abdruck eines Seelilien-Stielgliedes (Trochit)
Querdurchmesser des Stengelglied-Abdruckes (Von Rand zu Rand der runden Vertiefung) 11,0 mm, Distanz 2er gegenueberliegender Stern-Spitzen 7,9 mm

Diamenocrinus primaevus 1
b. Sternfoermige Kammerung des Gefaessystem-Kanaele im Abdruck der Kalkscheibe aus dem Stiel des Tieres


Diamenocrinus primaevus Le Menn 1970 - 2

Diamenocrinus primaevus 2
a.Bruchstueck aus Kelchboden
Querdurchmesser (Von Rand zu Rand der runden Vertiefung) 6,35 mm,
Distanz 2er gegenueberliegender Stern-Spitzen 4,4 mm.


Diamenocrinus primaevus 2
b. Bruchstueck aus Kelchboden
/ Element der Dorsalkapsel (Siehe Vergleichsabbildung weiter oben aus Le Menn und Racheboeuf, 1976)





BRACHIOPODA

Als `Armfuesser` oder `Lampenmuscheln` bezeichnet man in der deutschen Sprache eine Gruppe von ausschliesslich im Meer beheimateten, sessilen Lebewesen, deren Muschel-aehnlicher Weichkoerper von zwei Kalkschalen umschlossen wird. Die naturwissenschaftliche Systematik trennte diese Tiergruppe jedoch von der Klasse der Muscheln (BIVALVIA) und bisweilen sogar vom Stamm der Weichtiere (MOLLUSCA) und ordnete sie in einer eigenen Klasse, den BRACHIOPODA ein, die entweder zu den TENTACULATA gestellt oder sogar als selbstaendiger Tier-Stamm betrachtet werden. Grund hierfuer sind prinzipielle Unterschiede im Koerperbau der Tiere, die sich nicht dem evolutionaeren Entwicklungskonzept der uebrigen Weichtiere in Uebereinstimmung bringen liessen. Erleichterung bei der Zuordnung von `Muscheln` und `Lampenmuscheln bzw. Armfuessern` koennte ein Vergleich mit der `Entenmuschel` Lepas anatifera bringen, die zu den Rankenfuessern (CIRRIPEDIA) zaehlt, einer systematischen Ordnung der Klasse der Krebstiere (CRUSTACEA).

Der Muschel-Koerper ist `symmetrisch` gebaut, d.h. beide Schalenklappen (eine rechte und eine linke) sind annaehernd gleich gross und gleich geformt, waehrend der Koerper der als `bilateral-symmetrisch` bezeichneten Brachiopoden von einer groesseren (Untere / Ventral-, Bauch- oder Stiel-Klappe) und einer kleineren (Obere / Dorsal-Klappe) Schale umschlossen ist.

Dieser Unterschied ist bedingt durch die Anheftung der Tiere am Untergrund. Die reduzierte Ventralklappe der Brachiopoden bildet bei den meisten Arten eine Oeffnung in der Koerperhuelle, durch die ein Stiel (Fuss) zur Verankerung am Meeresgrund nach aussen gestreckt werden kann. Allerdings existieren auch stiellose Brachiopoden-Arten.
Muscheln hingegen haben einen `reduzierten` Fuss und darin befindliche Druesen, welche die sogenannten Byssus-Faeden bilden, mittels derer die Tiere ihre Koerper auch bei vollstaendig geschlossenen Schalenklappen fest am Untergrund verankern koennen.

Zur Nahrungsaufnahme oeffnen sowohl Muscheln als auch Brachiopoden ihre Schalenklappen, die durch Muskelstraenge und ein Scharnier verbunden sind. Die Nahrungsaufnahme erfolgt durch Filtration des Meereswassers. Muscheln nutzen hierzu ihre Fieder-, Faden-, Blatt-, oder Netz-Kiemen waehrend Brachiopoden ueber ausrollbare, `Lophophoren` genannte, Tentakel tragende Fangarme verfuegen, die im Ruhezustand zurueckgezogen und spiralfoermig im Schaleninnenraum aufgerollt werden.

Zu Anfang des 20. Jahrhunderts unterschieden Naturwissenschaftler ueber 100 lebende und mehrere tausend fossile Brachiopoden-Arten. Ende der 60er Jahre waren es bereits 260 rezente Arten, die man 64 Gattungen zuordnete und ueber 7000 fossile, ausgestorbene Arten der Armfuesser. Aktuelle Literaturangaben sprechen von 375 heute in den Ozeanen lebenden Arten aus 83 Gattungen sowie von mittlerweile 30.000, als Fossilien beschriebenen Brachiopoden-Arten aus mehr als 4.000 Gattungen. Im Vergleich dazu sind in der Klasse BIVALVIA (Muscheln) ca. 7.500 - 10.000 (- 20.000) rezente Arten zusammengefasst und ca. 20.000 ausgestorbene, nur als Fossilien bekannte Arten.

Das erdgeschichtlich frueheste Auftreten der Brachiopoden wird in das Erdzeitalter Kambrium datiert, also in einen Zeitraum der rund 500 Millionen Jahre zurueckliegt. Palaeo-Biologen registrieren in der Folge eine starke Populationszunahme dieser Tier-Klasse, die einen Hoehepunkt im Zeitalter des Devon (-420 bis -360 Millionen Jahre) erreicht. Je nach Erdzeitlater treten andere Brachiopoden-Arten mit unterschiedlicher Form und Aussehen auf, so dass den Fossilien dieser Tiergruppe
eine wichtige Bedeutung zur Datierung der geologischen Schichtungen der Erdzeitalter zukommt. Man betrachtet sie als wichtige Leit-Fossilien, nach denen die Bestimmung und zeitliche Einordnung geologischer Aufschluesse erfolgt. Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Devon-Stratigraphie und die Brachiopoden-Gruppe der Spiriferen, u.A. den Gattungen Stringocephalus, Merista, Spirifer, Spirigera und Rhynchonella erlangt.

Der Lebensraum der Brachiopoden erstreckt sich in allen Ozeanen von den Flachwasserzonen der Gezeitenregion bis in die Tiefsee und hier bis 3.000 Meter unter dem Meeresspiegel und moeglicherweise auch noch tiefer. In Japan und der Suedsee des Pazifischen Ozeanes haben manche Brachiopoden-Arten Bedeutung als Delikatessen, aehnlich der Enten-Muscheln (Percebes - Pollicipes pollicipes) in Portugal und an den Kuesten des Golfes von Biscaya.

Im untersuchten Sedimentgestein wurden mehrere, zur Brachiopoden-Ordnung Spiriferida gehoerige Fossilien gefunden, die anhand ihres auffaelligen, schnabelfoermigen Schalenklappenvorsprunges leicht zu erkennen sind. 4 dieser Exemplare gehoeren eindeutig zur Gattung Arduspirifer und hier mit hoechster Wahrscheinlichkeit zur Art Arduspirifer (Spirifer) arduennensis, die wie bereits im vorangehenden Kapitel zur stratigraphischen Einordnung der Fundstelle im Weiltal erwaehnt, an fast allen benachbarten Fossil-Fundstellen ebenfalls nachgewiesen wurde, und als eine typische Leitfossilart fuer die Singhofener Schichten des Unter-Emsiums des Devon bezeichnet werden kann.

Ein weiteres, deutlich abgebildetes Fossil-Exemplar aus der Ordnung Spiriferida zeichnet sich im Vergleich zu Arduspirifer arduennensis durch enger, flacher, kantiger und ebener verlaufende Rippen auf der Schalenklappe, aehnlich der nahe verwandten Art Arduspirifer extensus, die nach bisherigem Wissen allerdings erst spaeter, in den Laubach-Schichten des Ober-Emsium auftritt. Vermutlich handelt es sich bei dem Fossil um ein Exemplar aus der Gattung Euryspirifer, fuer die aehnlich berippte Exemplare in den Spitznack-Schichten des Unter-Emsiums gefunden wurden, namentlich den Arten Euryspirifer dunensis (KAYSER) oder Euryspirifer pellicoi (DE VERNEUIL & D`ARCHIAC).



Stamm TENTACULATA
Klasse BRACHIOPODA - Armfuesser, Lampenmuscheln
Ordnung SPIRIFERIDA


1. Arduspirifer arduennensis (MITTMEYER)
wahrscheinlich A.a.antecedens

Arduspirifer arduennensis 1
a. Steinkern mit Rippen und Ventralklappen-Fortsatz (Schnabel)
Breite 22,7 mm - Hoehe 17,8 mm

Arduspirifer arduennensis 1
b.
Steinkern mit Rippen und Ventralklappen-Fortsatz
mit beiderseits deutlich ausgepaegter, punktfoermiger Schalenklappen-Skulptur



2. Arduspirifer arduennensis (MITTMEYER)
wahrscheinlich A.a.antecedens

Arduspirifer arduennensis 2
a. Steinkern
Breite 32,2 mm - Hoehe 9,3 mm

Arduspirifer arduennensis 2
b. Abdruck

Arduspirifer arduennensis 2
c. Abdruck und Steinkern-Ausbruch

Arduspirifer arduennensis 2
d. Abdruck & Herausgeloester Steinkern


3. Arduspirifer arduennensis (MITTMEYER)
wahrscheinlich A.a.antecedens

Arduspirifer arduennensis 3
a. Steinkern - Schalen-Rippung & Ventralklappen-Fortsatz

Arduspirifer arduennensis 3
b. Steinkern mit Uebergangslinie zwischen Ventral- & Dorsalklappe



4. Arduspirifer arduennensis (MITTMEYER)
wahrscheinlich A.a.antecedens


Arduspirifer arduennensis 4
a.

Arduspirifer arduennensis 4
b.



1. Euryspirifer dunensis (KAYSER)

Euryspirifer dunensis (KAYSER)
a.

Euryspirifer dunensis (KAYSER)
b.

Euryspirifer dunensis (KAYSER)
c.




CORALLIA

Korallen sind genaugenommen kein Tierstamm sondern die Überreste von Lebewesen, den Hydromedusen oder Korallenpolypen, deren Körper Kalk abscheidet und so innere bzw. äußere Skelettstrukturen bildet. Korallenpolypen tendieren zur Kolonie- oder Stockbildung, wobei über lange Zeiträume hinweg an ihren Wuchsorten Kalksteinformationen entstehen, die als Korallenriffe oder geologische Kalksteinschichten in Erscheinung treten. Doch auch einzellebende, solitäre Korallenpolypen können Kalkstrukturen erzeugen. Zur Devonischen Formation zählen dabei die Gattungen Pleurodictyum, Cyathophyllum, Chaetetes und Zaphrentis. Die Korallen-Gattung Zaphrentis ist bereits, wie oben in der Fundortübersicht für Weiltalfossilien angegeben, im nahe der Emmershäuser Fundstelle gelegenen Leistenbachtal nachgewiesen worden. Zur Veranschaulichung der Kalkskelett-Körperstruktur dieser Gattung diene hier das Beispiel von Zaphrentis phrygia

Die ANTHOZOA werden nach der Zahl ihrer Körperinnenraum-Trennwände (Mesenterien) in Sechs- (Hexacorallia / Zoantharia) und Acht-Strahlige (Octocorallia / Alcyonaria) Korallen unterteilt. Die fossile Gattung Zaphrentis wird innerhalb der Hexacorallia den ausgestorbenen Tetracorallia, auch RUGOSA genannt, zugeordnet. Eines der untersuchten Sedimentgesteinsstücke enthält zwei deutliche ausgeprägte Korallen-Fossilien, die hier ebenfalls der Gattung Zaphrentis sp. zugeordnet werden.


Stamm NESSELTIERE - Cnidaria

Klasse BLUMENTIERE - Anthozoa

Unter-Klasse TETRACORALLIA - Rugosa

Gattung ZAPHRENTIS

Zaphrentis sp.


Zaphrentis sp.
a.


Zaphrentis sp. 1
b.





BIVALVIA


Muscheln sind aus dem Zeitalter des Devon seltener beschrieben als Brachiopoden, was die Existenz bisher für dieses Erdzeitalter unbekannter bzw. nicht entdeckter Muschelarten aber nicht ausschliesst. Ein Fossilfundstück, das auf folgenden 3 Abbildungen dargestellt ist, hat verblüffende Ähnlichkeit mit der rezenten Muschelart Pinna nobilis, der See-Feder. Aus diesem Grunde wird das Fossil hier als zur Familie der Steckmuscheln (Pinnidae) gehörig beschrieben. Da die Gattung Pinna in der hier bekannten Literatur als Fossil aus dem Devon nicht erwähnt wird, wird das Fossil hier als neue Art beschrieben und dem Fundstück der Name Pinna emmershausensis new Species zugeordnet.



Klasse BIVALVIA - Muscheln

Unterordnung LEPTODONTA / ANISOMYARIA - Schwachzaehnige Muscheln

Familie PINNIDAE - Steckmuscheln


Pinna emmershausensis new Species


Pinna emmershausensis new Species a

maximale Länge 10,44 cm, maximale Breite 5, 4 cm


Pinna emmershausensis new Species b



Pinna emmershausensis new Species c





UNBESTIMMTE FOSSILIEN


Ovaler Muschel- oder Brachiopoden-Schalen-Abdruck.

Sp. indet. 1

Sp. indet. 1 a
Laengsdurchmesser des Schalenabdruckes 14,56 mm
Querdurchmesser 11,45 mm


Sp. indet. 1 b




Nicht identifizierter Gehaeuseabdruck, moeglicherweise von Schalenklappen eines Brachiopoden und eines Verschluss-Mechanismuses,
mit symmetrischen Aussparungen, die Schneckenhaus-Mundoeffnungen aehneln.

Sp. indet. 2

Sp. indet. 2
a. Detailansicht 1

Sp. indet. 2

b. Detailansicht 2
Gesamtbreite 36,6 mm, Oeffnungsbreite 11,5 mm

Sp. indet. 2
c.
Detailansicht 3



Gehaeuseabdruck eines Spiralwindungsganges mit deutlicher Berippung einer Schnecke (GASTROPODA) oder eines Ammoniten (CEPHALOPODA).

Sp. indet. 3

Sp. indet. 3
a. Detailansicht 1

Sp. indet. 3
b. Detailansicht 2

Sp. indet. 3
c. Detailansicht 3

Sp. indet. 3
d. Detailansicht 4


Die Sediment-Gesteins-Bruchstuecke des Sammlungsmateriales enthalten mehrere tausend nicht betrachtete Einzel-Fossilien, die auf Grund des kompakten Schichtlagerungszustandes vor einer naeheren Bestimmung erst auseinander-praepariert werden muessten.


Sedimentgestein mit Fossilien (Aufsicht)


Sedimentgestein mit Fossilien (Seitenansicht)



FUNDSTELLENBESCHEIBUNG,
ETHNO-PALAEO-BIOLOGIE,
LITERATUR & IMPRESSUM



Beschreibung der Fundstelle in Emmershausen

Die Fossilfundstelle liegt am Ortsausgang der Gemeinde Weilrod OT Emmershausen am linken Strassenrand der Landstrasse L 3025 in Richtung Winden - Weilmuenster - Weilburg in unmittelbarer Nachbarschaft einer Tankstelle. Die Geokoordinaten der Fundstelle sind lat = 50.3673151 & lon = 8.3807552 (Nach Google Earth) bzw. 50 Grad 22` 5,4 `` Noerdlicher Breite & 8 Grad 20` 53`` Oestlicher Laenge von Greenwich, beziehungsweise entsprechend den Gauss-Krueger Koordinaten auf der Topographischen Karte 1 / 25000 Blatt 5616 Rechtswert RW 34.56.03 & Hochwert HW 55.81.43.



Die ehemalige Fossilfundstelle im Jahre 2011


Die Fossilfundstelle besteht heute aus einem ca. 27 Meter nordwestlich versetzt parallel zur Landstrasse verlaufenden, vertikalen, ca. 9 Meter hohen und 40 Meter langen Anschnitt eines Schiefer-Felsens, der durch das Ausbaggern einer ehemaligen freiligenden Felsklippe im Jahre 1981 entstanden ist. Dabei wurde die eigentliche fruehere Fossilfundstelle beseitigt.


Die Beseitigung des ehemaligen Meeres-Riff-Felsens und der oberflaechlich aufliegenden, stark fossilienhaltigen Sedimentschicht im Jahre 1981
Fotografie mit freundlicher Genehmigung von Frau H. Schott, Frankfurt


Minimale Reste der fossilfuehrenden Sedimentgesteine, die sich als dunkelbrauner, muerber Sandstein deutlich von den festeren Grauwacken-Steinbloecken unterscheiden, denen sie auf mehreren Ebenen zwischengelagert sind, findet man in horizontal projezierter Fortsetzung der ehemals an der Oberflaeche freiliegenden, fossilfuehrenden Fazies in mehreren Metern Hoehe in der leider sehr bruechigen Felswand.

Heutige Position fossilfuehrender Fazies zwischen Grauwacken-Gesteinslagen


Gesteinsaufschluss an der Fossilfundstelle.


Seit 2010 ist der Zugang zu der Felswand mit den Fossil-Strata über eine Gebrauchtwagen-Ausstellungsflaeche durch einen durchgehenden, ca. 1.80 m hohen Metallzaun vollstaendig versperrt.

Entdeckt wurde die Fossilfundstelle in der Mitte der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts durch Kinder, die waehrend PKW-Wartungsarbeiten in der damaligen `Tankstelle & Auto-Werkstatt Hans Nicolai` von ihren Eltern auf den Felsen zum Spielen geschickt wurden und die dort auf der Felsoberflaeche liegenden Meerestiere fanden. Der Fund von muschelaehnlichen Lebewesen in Emmershausen rief unglaeubiges Staunen hevor, so daß die oertliche Grundschule, das Usinger Kreisdenkmalamt und die dortige Tageszeitung und schliesslich das Frankfurter Senckenberginstitut gefordert waren, die komplexen erdgeschichtlichen Zusammenhaenge im Zusammenhang mit dem ehemaligen Vorkommen von Meerestieren im Taunus und der Entstehung von Versteinerungen allgemeinverstaendlich zu erlaeutern.

In den Jahren nach der Entdeckung der Fossilien wurden zahlreiche Fundstuecke geborgen und in dem von Rosemarie & Peter Zanger gegruendeten und unter Mitarbeit des Riedelbacher Gesamtschullehrers Friedrich Jantzen, Klaus Zangers und Dietrich Wagners nach dem Vorbild des Braunfelser `Waldmuseums Dr. Kanngiesser` auf der Emmershaeuser Huette aufgebauten `Naturkundlichen Museum Emmershaeuser Huette` ausgestellt. Die Sammlung wurde im Jahre 1969 nach Weilmuenster transferiert, wo ihr allerdings keine geeigneten Ausstellungsraeume zur Verfuegung standen, so dass bei der improvisierten Verwahrung des privaten Naturalienkabinettes leider Bestandsverluste auftraten und heute nur noch Reste der urspruenglichen Sammlung existieren, die mit dem vorliegenden wissenschaftlichen Artikel nun zum Ersten Mal systematisch aufbereitet der Oeffentlichkeit praesentiert werden.



Fossilfundstellen im Mittleren Weiltal

Orts-Angaben in Bezug auf TK/GK 1/25000 Blatt 5616 Graevenwiesbach

Laubuseschbach

  • SE-Seite Hasen-Berg, 275 m SW P. 330,2

Winden

  • Steinbruch am W-Ausgang von Winden
  • 375 m N Winden W der Landstrasse
  • Bei P. 212,8 Bergwinkel zwischen Leistenbach- und Weiltal
  • Dachschieferbruch im unteren Leistenbachtal, 700 m WSW der Muendung
  • Oberes Leistenbachtal, 125 m NNW P. 347,5
  • Mittleres Leistenbachtal, 125 m NE P. 270,5
  • Mittleres Leistenbachtal, 250 m W P. 240,9
  • Mittleres Leistenbachtal, 500 m W P. 240,9
  • SW-Seite des Winkel-Berges, 400 m NW P. 298,3

Emmershausen

  • Felswand an Tankstelle am NO Ortsausgang

Gemuenden

  • Taelchen S Gemuenden, E. Lehnchen
  • Lochmuehle NE Gemuenden

Wilhelmsdorf

  • Steinbruch oberhalb Bahnhof

Rod an der Weil

  • Wasserwerk
  • Etwa 200 m S P.359.2 bei Rod a.d. Weil
  • 500 m S Rod a.d. Weil
  • Zwischen Eichenbacher Grund und Wuestenrod SSW Rod a.d. Weil
  • E-Hang Gelenn WNW Rod a.d. Weil
  • Wehrholz S Rod a.d. Weil
  • Gilling NNW Rod a.d. Weil und Spitze des Gillings
  • Ziegelei SE Rod a.d. Weil
  • Etwas suedlich gegenueber Ziegelei Rod a.d. Weil
  • Ziegelei SE Rod a.d. Weil an der Landstrasse
  • Rod a.d. Weil Wasserleitung

Hasselbach

  • Steinbruch am Tannenkopf NNE Hasselbach

Cratzenbach

  • Steinbruch am Strassenknie 1 km NW (800 m NNE ?) Cratzenbach

Neuweilnau

  • Steinbruch am Born-Berg Neuweilnau-Riedelbach

Riedelbach

  • Steinbruch am Born-Berg Neuweilnau-Riedelbach

Altweilnau

  • W-Hang der Koenigskanzel SE Altweilnau
  • in Klippen am Weg NE P. 335,0 am Neuhammer SE Altweilnau

Landstein

  • E P. 484,4 WNW Hirsch-Berg
  • Etwa 100 m unterhalb des Landsteines, Hangendes des Plattensandsteines
  • `gegenueber` dem Landstein
  • kleiner Steinbruch an der Muendung des Merzhauser Tales
  • Steinbruch SW Landsteiner Muehle
  • 250 m NW Ruine Landstein
  • Landstein
  • Steinbruch rechts der Muendung des Meerpfuhlbaches in die Weil an der Strassengabel Usingen-Schmitten
  • Steinbruch `Feuchtes Loch` 250 NW Ruine landsteion bei `Schp.` GK
  • SO Landstein an Landstrasse Neuweilnau-Hunoldstal 625 m SO Gabel Neuweilnau-Merzhausen
  • Halde 250 m NO Strassengabel Usingen-Schmitten

Hunoldstal

  • An der Wegekreuzung SSW P. 484,4 WNW Hunoldstal

Merzhausen

  • Steinbruch SE-Hang Kessel-Berg E Merzhausen
  • auf der E-Seite des Kessel-Berges E Merzhausen
  • Steinbruch am Steinchen
  • an der Strasse nach Merzhausen zwischen Steinchen und Meerpfuhl
  • W-Hang des Steinchen WSW Merzhausen

Rod am Berg

  • 200 m NW Rod am Berg

Arnsbach

  • WNW Arnsbach, am Forstbach



Ethnobiologie fossiler Brachiopoden, Crinoiden und Korallen

(Nach THENIUS & VAVRA 1996)

Als Ethnobiologie bezeichnet man wissenschaftlich die volkstuemliche, folkloristische oder Volksgruppenbezogene Namensgebung, Bedeutung oder Nutzung von Tieren und Pflanzen. Hierzu zaehlen neben traditionellen Nutzungsformen von Lebewesen als Nahrungsmittelquellen, Heilmittel und Rohstofflieferanten auch die mythologischen Bedeutungen und Legenden, die mit dem jeweiligen Lebewesen verbunden werden.

Die Meeresmuschel-aehnlichen Brachiopoden-Fossilien und hier insbesondere die Spiriferen besitzen seit vielen Jahrhunderten im Volksglauben eine sexuelle Symbolkraft auf Grund der an erotische Details erinnernden Form ihrer Schalen. Dies fuehrte dazu, dass sie gezielt gesucht, freipraepariert und gehandelt wurden und als Schmuck- oder Heilsteine in der Volksmedizin von besonderer Bedeutung waren, was wahrscheinlich auch der Grund dafuer ist, das die Spiriferen heute die mit am vollstaendigsten klassifizierte und zur exakten, palaeostratigraphischen Einordnung von geologischen Aufschluessen herangezogene Fossilgruppe sind.

Deutsche Volksnamen fuer fossile Brachiopoden sind seit dem Mittelalter die Bezeichungen `Mutter-` oder `Schamsteine` (wissenschaftlich `Hysterolithen`, abgeleitet vom griechichen Wort `hystera` fuer Gebaermutter). Sie wurden von Aerzten zur Heilung von Frauenleiden aller Art eingesetzt. Eine regionale Benennung erfahren diese Fossilien in Nordhessen als `Hautzensteine` oder `Buntzensteine`, wo sie ebenfalls als Zaubersteine zur Heilung von Frauenkrankheiten und zur Steigerung der Fruchtbarkeit verwendet wurden. Diese Symbologie kommt auch in den wissenschaftlichen Bennenungen der Arten Hysterolites hystericus (Unter-Devon / Siegerland) und Schizophoria vulvata (Unter-Devon / Rheinland) zum Ausdruck.

In Sueddeutschland und der Schweiz werden Brachiopoden der Gattungen Rhynchonella und Terebratula als `Taubensteine` oder `Taeubli` benannt. Taubensteine traegt man als Talisman in einem Beutelchen um den Hals, sie dienen so als Abwehrzauber. Alte Apotheken des Schwabenlandes (Heidenheim) fuehren diese dort als `Tristelsteine` bezeichneten Gegenstaende, die zum Schutz vor Schadensgeistern an den Tueren der Stuben und Stallungen der Bauernhaeuser aufgehaengt wurden.

In Kaernten und hier insbesondere in der Umgebung von Eisenkappel im Vellachtal sind Brachiopoden der Art Camerophoria sancti-spiritus im Volksmund als `Heiligen-Geist-Schnecken` bzw. `Heiligen-Geist-Stoandl`n` bekannt, vermutlich deswegen, weil das Berippungsmuster der Gehaeuse mit etwas Phantasie betrachtet an eine Taube mit ausgebreiteten Fluegeln erinnert. Zudem soll an dem Fundort der Fossilien bei Eisenkappel in frueheren Zeiten eine dem Heiligen Geist geweihte Kapelle gestanden haben, was zur Mystifizierung der Fundobjekte beigetragen haben mag.

Fundstuecke der Brachiopoden-Gattung (Iso-) Crania werden in suedschwedischen Schonen als Amulette oder Talisman getragen und dort `Brattenburger Pfennige` genannt. Synonym fuer dasselbe Fossil sei die Bezeichnung `Totenkoepfchen`, was von der angeblichen, Totenkopf-aehnlichen Zeichnung der Schaleninnseite herruehren soll.

(shí yān) ist das chinesische Wort fuer `Schwalbenstein` bzw. `Steinschwalbe`, mit dem in China die fluegelartig verbreiterten, versteinerten Gehaeuse von devonischen Spiriferen beispielsweise der Art Cyrtiospirifer sinensis bezeichnet werden. Die Fossilien werden in Apotheken in unterschiedlicher Form als Heilmittel angeboten und sollen magische Kraft verleihen, die zum Fliegen verhilft.

Unverkennbar, allerdings erst in der Mythologie der juengsten Generationen und in der Kriegs- und Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges, ist desweiteren die Aehnlichkeit von Fossilien mancher Spiriferen-Gattung (z.B. Euryspirifer, Arduospirifer, ...) mit Enblemen und Abzeichen der Lufwaffen oder zivilen Luftflotten, wie sie insbesondere als Schirmmuetzen-Spangen von Piloten und Flugzeugpersonal oder Dienstgraden getragen werden.


Zauberkraft zur Abwehr von Unheil und magische Heilwirkung wird auch den fossilen Seelilien-Stielgliedern (Trochiten) zugeschrieben, die sich in Form und Groesse zum Aufreihen, Aufziehen und Tragen als Ketten eignen und deren Elemente bisweilen dekorativ mit Sternmustern gezeichnet sind. Solche Ketten werden von Berbern Nordafrikas aus marokkanischen Rhipidocrinus-Stielgliedern hergestellt. In Deutschland nennt man die Seelilien-Stengelsegmente auch `Bonifatiuspfennige`, wobei die fuenfeckigen Stielglieder von Pentacrinus als `Echte Sternsteine` oder `Astroiten` bezeichnet werden. Im 18. Jahrhundert wurden Encrinus - Fossilien als Heilmittel gegen Fieber, Bruchleiden, Gliederzittern, Epilepsie, Nachtschrecken, Melancholie, Schwindel, Nieren- und Lendenschmerzen sowie gegen giftige Tiere und bei Geburten verwendet. Eine Besonderheit stellt in diesem Zusammenhang ein mit Genehmigung des Augustinerordens in der Umgebung von Lindau am Bodensee gebackenes Brot dar, das in der Form der Fossilien und mit eingepraegtem Stern hergestellt wurde, und das anlaesslich des christlichen Himmelfahrtsfestes als `Fieberbrot` oder `Sternkuechlein` kostenlos verteilt wurde.


Ebenfalls als `Sternsteine`, aber auch als `Spinnensteine` oder `Arachnolithen` sind die fossilen Korallen-Arten benannt, deren radiaere Kelchsepten der Versteinerung ein spinnenartiges Aussehen verleihen. Diese Fossilien wurden zu Heil-Amuletten geschliffen und verarbeitet und zur Stillung von Blutungen verwandt. Erwaehnenswert sind hier insbesondere die sogenannten `Verschrei-Herzen`, an Silberketten getragene Amulette aus Oberoesterreich und der Salzburger Umgebung. Hergestellt sind sie aus herzfoermig geschliffenen, koloniebildenden Stockkorallen-Fundstuecken (z.B. Actinastraea). An roten Hals-Baendern werden sie von Kinder mit Hautausschlaegen getragen. In Italien sind die Steinketten als `pietre stellaire` oder `pietre stregonie` bekannt und dienen zur Abwehr des `mal occhio` genannten, `Boesen Blickes` und als Gegenzauber gegen Hexen.




Literatur


Beurlen, Karl (1964)

Welche Versteinerung ist das ? Tabellen zum Bestimmen von Versteinerungen Mitteleuropas. Kosmos Verlag der Naturfreunde. Frankh`sche Verlagshandlung W. keller & Co., Stuttgart. 176 S.

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Die Entwicklung unserer Landschaft - 390 Millionen Jahre im Überblick. Weilroder Hefte für Geschichte, Volks- und Familienkunde. Heft 4. Geschichtsverein Weilrod e.V. Weilrod-Altweilnau. S. 247 - 256.

Dahmer, Georg & Moehrke, H. (1935)

Fundpunkte von Unterkoblenzversteinerungen auf Blatt Oberreifenberg (Taunus). Jahrbuch des Nassauischen Vereines fuer Naturkunde 82, S. 20-25. Wiesbaden.

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Ein neu erschlossener Versteinerungs-Fundpunkt im Unter-Devon des oestlichen Taunus. Senckenbergiana, 22. S. 136-157. Frankfurt / Main.

Dahmer, Georg (1940)

Die Fauna der Unterkoblenz-Schichten vom Landstein im oestlichen Taunus (Blatt Graevenwiesbach). Senckenbergiana, 22 3/4. S. 260-274. Frankfurt / Main.

Dahmer, Georg (1942)

Die Fauna des Unter-Koblenz von Ziegenberg (Unter-Devon, oestlicher Taunus). Senckenbergiana, 25. S. 263-291. Frankfurt / Main.

Fuchs, A. & Schlossmacher, K. (1983)

Geologische Karte von Hessen 1 / 25.000. Blatt 5616 Graevenwiesbach. 2te ergaenzte Auflage. Hrsg. Hessisches Landesamt fuer Bodenforschung, Wiesbaden.

Jansen, Ulrich (2005)

Der Taunus in der Devon-Zeit. Geologisch-palaeontologische Exkursion am 17. September 2005. Forschungsinstitut Senckenberg, Frankfurt / Main. 64 S.

Le Menn, J.; Racheboeuf, P.R. (1976)

Brachiopodes Chonetaceae et Crinoides des Formations du Faou et de Montguyon (Dévonien inférieur du Massif Armoricain). Ann. Soc. Géol Nord, XCVI. 4. 283-323.

Popp, Egon (1970)

Kranzfuehler - Hufeisenwuermer, Mosstierchen und Armfuesser. In - Dr. Dr. h.c. Bernhard Grzimek - Grzimeks Tierleben Band 3 - Weichtiere und Stachelhaeuter. S. 226-265. Kindler Verlag, Zuerich.

Saha, Baishali & Dietl C. (2010)

Effect of decollement rheology and deformation rate on the structural development of fold thrust belts in sand box models and their implications for the Naga fold thrust belt (NE India). Poster. Institut fuer Geowissenschaften der Johann Wolfgang von Goethe Universitaet, Frankfurt.

Schemm-Gregory, Mena & Jansen, Ulrich (2006)

Annotations to the Devonian Correlation Table, B 124 di 06: Brachiopod biostratigraphy in the Lower Devonian of the Rheinisches Schiefergebirge (Germany) based on the phylogeny of Arduspirifer (Delthyridoidea, Brachiopoda). Senckenbergiana lethaea 86 (1) 113-116. Frankfurt.

Schlossmacher, Karl (1983)

Erlaeuterungen zur Geologischen Karte von Hessen 1 / 25000 Blatt Nr. 5616 Graevenwiesbach. 2te ergaenzte Auflage. Hessisches Landesamt fuer Bodenforschung, Wiesbaden. 95 S.

Schroeder, Karl-Heinz (1981)

Vor Millionen Jahren. Die Geschichte unserer Landschaft und die Entstehung der Kubacher Hoehlen. Hoehlenverein Kubach e.V. - M.G.Schmitz Verlag, Giessen. 30 S.

Thenius, Erich & Vavra, Norbert (1996)

Fossilien im Volksglauben und im Alltag. Bedeutung und Verwendung vorzeitlicher Tier- und Pflanzenreste von der Steinzeit bis heute. Senckenberg Buch 71. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt / Main. 179 S.



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